Historischer Entstehungskontext und Informationsgehalt
Foto: Bahnhofstraße, Kaiser-Wilhelm-Denkmal, StAM Abt. 10, 213Mit dem preußisch-österreichischen Krieg 1866 hörte das Herzogtum Nassau (1806-1866) auf zu existieren. Da Montabaur bis dahin politisch Teil dieses Herzogtums Nassau war, hatte dieses Ereignis für unsere Stadt enorme praktische Bedeutung. Die nun folgende preußische Herrschaft (ab 1866) brachte eine Menge Veränderungen mit sich, etwa in der Verwaltung, der Gesetzeslage oder der Währung. Zum Beispiel gründeten die Preußen das Amtsgericht Montabaur zwecks Verwaltung der einst im vormaligen Herzogtum Nassau gebildeten Gerichte.
Im Zusammenhang mit diesen Umwälzungen ist auch die Entstehung der Volkszählungslisten des Jahrganges 1867 zu verstehen. Die Ausführung der Volkszählung war noch wesentlich akribischer und strukturierter als alle Volkszählungen im vormaligen Herzogtum Nassau, auch wenn zwischen den Listen aus älterer nassauischer Zeit und der Spätphase des Herzogtums Nassau durchaus Unterschiede erkennbar sind. Etwa dokumentierte man in diesen ersten preußischen Volkszählungslisten des Jahrganges 1867 neben dem Haushaltsvorstand, der Straße, dem Beruf des Haushaltsvorstandes, dem Zählbezirk, dem Namen des Zählers immer alle weiteren im Haushalt lebenden Personen einschließlich des exakten Geburtsjahrs. Häufig finden sich sogar Berufsbezeichnungen der Nachkommen des Vorstandes oder weiterer Familienmitglieder und anderer im Haushalt lebender Personen in den Listen. Gäste von auswärts, die sich zur Zählzeit gerade in einem der damals zahlreichen Gasthöfe unserer Stadt aufhielten, wurden mitsamt Angabe des Herkunftsortes erfasst. Auch der Besitzer des Hauses oder der Wohnung wurde, sofern vom Haushaltsvorstand abweichend, erfasst.
Die Listen bestehen stets aus 2-3 Seiten pro Haushalt. Bei den auf Seite drei dokumentierten Personen handelt es sich um normalerweise im Haushalt lebende, aber zur Zählzeit abwesende Personen. Gerade diese Angaben sind aufschlussreich und geben einen tiefen Einblick in das Alltagsleben, die Wirtschafts- und Militärgeschichte und Migrationsströme, zumal auch der Aufenthaltsort dieser Personen zur Zählzeit hier angegeben ist. Auch Hinweise zur Auswanderung in die Vereinigten Staaten, nach Australien und in andere Länder finden sich an dieser Stelle.
Eine Besonderheit stellen die Extra-Zähllisten für Anstalten dar, etwa des Hospitals unter Abt. 4, 1678 oder des Mutterhauses der Barmherzigen Brüder der Diözese Limburg unter Abt. 4, L 1679. Da es sich hierbei nicht Familien handelt, weisen diese Listen eine abweichende Struktur auf. Wie den anhand der Digitalisate erkennbar ist die Beschaffenheit der Originallisten sehr porös. Trotz der Tatsache, dass glücklicherweise der Großteil der Listen noch gut leserlich ist, war eine Schutzdigitalisierung daher dringend notwendig, auch um die Originaldokumente durch eine Vermeidung weiterer Benutzung zu schonen und die sich daraus ergebenden Informationen für die Nachwelt zu erhalten.
Erfassung und Interpretation der Personendaten
Aufgrund des wesentlich umfangreicheren Datenmaterials wurden aus den preußischen Volkszählungslisten des Jahrganges 1867 mehr Personendaten transkribiert als bei den älteren und jüngeren Volkszählungslisten. Vor- und Zuname des Haushaltsvorstandes wurden auch hier selbstverständlich stets aufgenommen. Hinzu kommen Berufsangaben, Straßennamen und das Geburtsjahr des Haushaltsvorstandes. Im Bemerkungsfeld haben wir stets die im Haushalt lebenden Personen alle erfasst, die A einen vom Vorstand abweichenden Familiennamen hatten und B bei denen eine Berufsangabe gegeben war, die wir ebenfalls stets übertragen haben. Auch der Familienstand des Haushaltsvorstandes, unabhängig ob Witwe(r), ledig oder verheiratet, kann aus den ins Bemerkungsfeld übertragenen Angaben entnommen werden. Hinzu kommen allgemeine Angaben zur Größe der Familie wie der Anzahl der Kinder oder der Töchter und Söhne. Bei älteren im Haushalt lebenden Personen wie Schwiegermüttern oder Großeltern wurden diese ebenfalls stets namentlich und mit genauer Angabe des Geburtsjahres ins Bemerkungsfeld übernommen. Bei Frauen wurde zudem, wenn im Originaldokument angegeben, der Mädchenname einschließlich sämtlicher Daten zur Person nach dem Prinzip „Müller, Kathraina geb. Seel“ tanskribiert. Auch Gäste, die sich zur Zählzeit in Gasthöfen aufhielten, wurden mitsamt Herkunftsort erfasst. Auch von der preußischen Staatsangehörigkeit abweichende Staatsangehörigkeiten haben wir hier übernommen. Gleiches gilt umgekehrt für normalerweise im Haushalt lebende Personen, die aber zur Zählzeit an einem anderen Aufenthaltsort waren.
Bei Besonderheiten einer Familie, wie beispielsweise einer interkonfessionellen Ehe wurde dies ebenfalls im Bemerkungsfeld vermerkt. Bei für die Stadtgeschichte besonders bedeutenden Familien wurden sogar alle Mitglieder im Bemerkungsfeld erfasst. Ganz wichtig ist zudem, dass auch bei diesem Listentyp immer die zweite Schreibweise eines Namens wie auch eine möglicherweise zweite Namensvariante im Bemerkungsfeld aufgenommen wurde. Beispielsweise lässt sich der Zuname Conradi im Namensfeld dadurch auch unter Conrady, Konrady oder Konradi im Bemerkungsfeld finden wie der Zuname Molsburger im Namensfeld auch unter Molsberger im Bemerkungsfeld oder umgekehrt je nach Originaleintrag, an dem wir uns stets orientiert haben. Nach all diesen Daten, auch den ins Bemerkungsfeld übernommenen, kann man die Digitalisate der Zähllisten von 1867 via Stichwortsuche durchsuchen und gelangt so zum gewünschten Scan.
An Angaben zu den Zählbezirken und den für ebendiese Bezirke zugeteilten Zählern gelangen Sie über den Link zur unteren Hierarchieebene der Jurismappen.